MVS Open 2024 – eine angenehme Mischung aus bekannten und neuen Gesichtern in gewohnt entspannter Atmosphäre

Vom 03.-06.10.2024 fand fast schon traditionell das MVS Open erneut in Wächtersbach statt. Von Donnerstag (Feiertag) bis Sonntag fanden sich 41 Spieler ein, um sich schachlich zu messen. Sieger wurde Kevin Felczer, der ebenso wie sein Gründauer Vereinskollege Ulf Kuhn 5,5 Punkte aus den 7 Runden einsammelte. Das Turnier verlief erneut in familiärer Atmosphäre, es ist “klein aber fein”. Vermutlich wären noch ein paar mehr SpielerInnen gekommen, wenn nicht zeitgleich die HEM in Darmstadt stattgefunden hätte und die Bahnverbindung durch Bauarbeiten eingeschränkt gewesen wäre – schön war es trotzdem! Werktags gibt es nebenan ein super Verpflegungsangebot, vom Spielsaal gibt es einen interessanten “Panoramaausblick” und zwischen den Runden kann man entweder über die Brücke gehen und im Grünen schlendern, nebenan einkaufen (ein Teilnehmer brachte der Ehefrau Sekt) oder mit einem kurzen Ausflug das sanierte Wächtersbacher Schloss anschauen. Dort gibt es übrigens auch ein Restaurant! Wir waren aber schließlich zum Schach spielen da, deshalb nun ein paar Highlights aus den einzelnen Runden.

Runde 1:
Während der Auftaktrunde am Donnerstagmorgen ging es in der Partie Schlößner-Suliman direkt hochspannend zur Sache. Nach 35 Zügen von beiden Seiten entstand diese verrückte Stellung:

Weiß holte sich nach 36. Dc8+ Ke7 37. Dxb7+ Kd8 38. Db6+ Ke8 39. Dxb4 den Springer ab, aber Schwarz behält vorerst den Freibauern und macht mit … Te4+ 40. Lg4 Txh5+ weiter Druck gegen den exponierten weißen König. Der Computer bewertet diese Stellung dynamisch ausgeglichen, aber wir wissen ja alle, wie schwer es ist, in so Stellungen die korrekten Züge zu finden.
Einige Zeit (und ein Turmopfer) später wurde plötzlich der schwarze König sehenswert mattgesetzt.

Runde 2:
Noch an Tag eins gab es gleich eine größere Überraschung, als der Nachwuchsspieler Mark Spelleken die nach Wertungszahl gesehene Nr. 2 des Feldes, Johann Donath bezwingen konnte. Mark spielte überhaupt ein sehr erfolgreiches Turnier was mit Platz 7 (4,5 Punkte), dem Jugendpreis und einem stabilen DWZ-Plus belohnt wurde. Papa Hans-Gerd Spelleken war selbst mit in Summe 4 Punkten auch gut unterwegs, war vor allem aber begeistert vom Sohn, der in schachlich immer weiter überflügelt. Andere Spieler gingen noch im Endspiel an ihre Grenzen, bis es draußen dunkel. In der Diagrammstellung wurde (Achermann-Kuhn) probierte Schwarz noch auf den vollen Punkt zu gehen, weitere 20 Züge später wurde die Partie remis gegeben.

Runde 3:
Hier ist mir im Vorbeigehen eine Stellung der Partie H. Wüstehübe-Ullah in Erinnerung geblieben, hier war ich persönlich nach Txf3 aufgrund der verschiedenen hängenden Figuren im Vorbeigehen irritiert. Aber man hat ja auch genug mit der eigenen Partie zu tun, wenn man versucht, Figuren, die gefangen scheinen, doch noch zu retten. Hier die Stellung der zuvor genannten Partie (aus den Verwicklungen ging Weiß mit Mehrmaterial siegreich hervor): es folgte 15. Lxf3 Sxf2 16. Kxf2 Lxg5 Txe6

Runde 4:
In Runde 4 nahm der Autor die Bye-Regelung wegen außerturnierlichen Verpflichtungen in Anspruch, tags darauf wurde ihm jedoch von einem spannenden Finale in der Partie Schellenberger-Dany berichtet. Hinweis: man konnte in den Runden 1-5 bis zu 2 “Byes” nehmen, d. h. vor der Auslosung mitteilen, dass man pausiert und dafür einen halben Punkt bekommen. In einem hektischen Endspiel mit Chancen (und Fehlern) auf beiden Seiten wechselt der Vorteil und da Matt setzen mit Springer + Läufer (und am besten noch wenig Restzeit) nicht jeder beherrscht, einigten sich die Spieler auf remis. In der Diagrammstellung ärgerte sich Weiß vermutlich gerade über 70. …Ld6+

weiter ging es dann mit 71. Kd5 Lxb8 72. Kc6 b5 73. Lxg6 Kxg6 sodass die folgende Stellung entstand:

Endspiele nach vielen verbrauchten Körnern sind schwierig, man muss sie geduldig spielen wie die Saiten eines Streichinstruments… Weiß hat hier Schlimmeres abwenden können.

Runde 5:
Henrik Schlößner kommentierte seine Partie aus Runde 5 wie folgt: “Ich habe im 16. Zug völlig sinnfrei eine Figur geschlagen und die Partie von total gewonnen auf total verloren gestellt”, man möge sich selbst ein Urteil erlauben:
(er spielte in der Diagrammstellung Lxc5 und mein Engine springt von +4,7 auf -1,7)

Allerdings erlaubte sich Schwarz später nach einigen guten Zügen in der taktischen Stellung auch nochmal einen Schnitzer, sodass das Ergebnis am Ende doch 1-0 lautete. In der Eingangsstellung wäre natürlich Sec7+ simpel wie stark gewesen.
Nach besagten 5 Runden schien Kevin Felczer ungestört seine Kreise an der Tabellenspitze ziehen zu können, hatte es bisher doch alles Gegner besiegen können und die Konkurrenz Federn gelassen. Allerdings entwickelte sich alles in den letzten beiden Runden zu einem Krimi. Dazu gleich aber mehr.

Runde 6:
Das Match der vorletzten Runde, das am längsten lief, war an Brett 1: Voellinger-Felczer. Hier konnte Weiß mit einem sehenswerten Springerzug – als würde man die Spitze auf einen Weihnachtsbaum setzten, den Druck weiter verstärken und in Zeitnot in ein Endspiel mit Mehrbauern abwickeln. Schwarz stemmte sich entgegen, nach über 60 Zügen entschied aber die Bauernumwandlung zugunsten von Weiß. Damit war an der Spitze plötzlich wieder alles offen und gleich mehrere Personen konnten theoretisch wieder ganz vorne landen.
Hier das passende Bild nach dem 25. Zug Sc3-d5:

es folgte 25. … Lxd5 26. exd5 e5 und der Laden scheint auf den ersten Blick “dicht” zu sein.

Runde 7:
In der letzten Runde entschied hauchdünn die Buchholzwertung zwischen den Rängen 1 und 2. Hierbei ist für den Turniersieg von Kevin Felczer gegenüber Ulf Kuhn anhand der besseren Wertung unter anderem das trickreiche Turmopfer aus der Partie Gundel – A. Wüstehube verantwortlich (A. Wüstehube zählte vorher zu den Gegnern von K. Felczer und erhöhte damit dessen Buchholz):

auf 31. Ld4-c5? (Diagramm) folgte … Txh3+ (dieses Opfer hätte Weiß besser nicht angenommen), denn nach 32. gxh3 e3+ 33. Dg2 und …exd2 musste Weiß die Waffen strecken.

Fazit:
Es gibt natürlich immer viele kleine Geschichten, schon allein in einzelnen Partien. Die hier genannten sind ein paar Auszüge. Schach ist mal Sieg, mal Remis, mal Niederlage und ein ganzes Königreich voller Ideen und Phantasie. Zum Abschluss noch ein Lob an Turnierleiter Christian Hochmuth, Schiedsrichter Roland Michelmann und die sonstigen helfenden Hände (darunter insbesondere Susanne Mainka) für den erneut reibungslosen Ablauf. Auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr! Das Turnier hätte deutlich mehr TeilnehmerInnen verdient!
Wie ein Schild sagt: Das Bürgerhaus dient der Freizeiterfüllung, dem Spiel und der Erholung, der Volksbildung, der Gesundheit, dem Wohle der Jugend und der Festigung der Gemeinschaft.


“Nichts in der Welt ist so ansteckend wie Lachen und gute Laune.” – Charles Dickens


(Tabellen, Paarungen, Teilnehmerlisten gibt es unter diesem Link: https://www.findchessgames.com/index-0134,224,1064%7C1%7C1968.html )

F. Voellinger (SF Dettingen)

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